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Die Wahrheit und der Name Gottes

Ein Beitrag von Giorgio Agamben:

Seit fast einem Jahrhundert sprechen die Philosophen vom Tod Gottes, und wie so oft scheint diese Wahrheit heute stillschweigend und fast unbewusst vom einfachen Menschen akzeptiert zu werden, ohne dass jedoch ihre Folgen gemessen und verstanden werden.

Eine davon – und sicher nicht die unwichtigste – ist, dass Gott – oder vielmehr sein Name – die erste und letzte Garantie für die Verbindung zwischen Sprache und Welt, zwischen Worten und Dingen war. Daher die entscheidende Bedeutung des ontologischen Arguments in unserer Kultur, das Gott und Sprache unlösbar zusammenhielt, und des Schwurs auf Gottes Namen, der uns verpflichtete, für die Übertretung des Bandes zwischen unseren Worten und Dingen einzustehen.

Wenn der Tod Gottes nur den Bruch dieses Bandes bedeuten kann, dann bedeutet dies, dass die Sprache in unserer Gesellschaft konstitutiv zur Lüge geworden ist. Ohne die Garantie des Namens Gottes ist alles Reden, wie der Eid, der seine Wahrheit versichert, nichts als Eitelkeit und Meineid. Das haben wir in den letzten Jahren erlebt, als jedes Wort der Institutionen und der Medien nichts als Verlogenheit und Betrug war.

Heute geht eine fast zweihundertjährige Epoche der westlichen Kultur zu Ende, die ihre Wahrheit und ihr Wissen auf die Verbindung zwischen Gott und Logos, zwischen dem sakrosankten Namen Gottes und den einfachen Namen der Dinge gründete. Und es ist sicher kein Zufall, dass nur noch Algorithmen und nicht mehr das Wort einen Bezug zur Welt zu haben scheinen, dies aber nur in Form von Wahrscheinlichkeit und Statistik, denn auch wenn Zahlen letztlich nur auf einen sprechenden Menschen verweisen können, so implizieren sie doch irgendwie Namen.

Wenn wir den Glauben an den Namen Gottes verloren haben, wenn wir nicht mehr an den Gott des Eides und des ontologischen Arguments glauben können, ist es jedoch nicht ausgeschlossen, dass eine andere Wahrheitsfigur möglich ist, die nicht nur die theologisch verbindliche Entsprechung von Wort und Ding ist. Eine Wahrheit, die sich nicht darin erschöpft, die Wirksamkeit des Logos zu garantieren, sondern in ihr die Unmündigkeit des Menschen bewahrt und das, was noch in ihm schweigt, als den innersten und wahren Inhalt seiner Worte bewahrt. Wir können immer noch an einen Gott im Kindesalter glauben, wie das Jesuskind, das die Mächtigen, wie uns gelehrt wurde, um jeden Preis töten wollten und wollen.


Quelle: https://www.quodlibet.it/giorgio-agamben-la-verit-5-il-nome-di-dio